COVID positiv – Quarantänetagebuch von Franz Supersberger
Tageheft Nr. 253a, ab Montag, 8. 2. 2021
Montag, 8. 2. 2021, Mittagsmahl (=MM) Kärntner Nudel + Grüner Salat
Nach Tagen von Husten, Müdigkeit und Appetitlosigkeit von Partnerin Rosemarie suchen wir im letzten Moment den Hausarzt auf, zwei Tage später schließt er die Ordination für eine Woche. Ich bin in der Innenstadt unterwegs, da erreicht mich ihr Anruf, sie wurde vom Arzt COVID positiv getestet. Die gefürchtete Diagnose Corona, bei ihrer Vorerkrankung. Sie steht am Parkplatz im Regen, sichtlich betroffen mit den Rezepten für Corona-Medikamente in der Hand. Ein SMS von der Gesundheitsbehörde fordert sie auf, sofort zum PCR-Test in die Kowatsch Halle zu kommen. Beim Eintreffen finden wir eine Situation wie aus dem Fernsehen vor: Eine Autoschlange, mehrere Container, Bundesheerangehörige und Rotkreuzhelfer. Autoscheibe öffnen und ein Mann in einem Schutzanzug beugt sich in das Innere vom Auto. Mund auf, Wattestäbchen werden in den Rachenraum und in die Nasenlöcher eingeführt. Morgen gibt es für sie den Befund. Ich versuche es mit einem Selbsttest aus der Apotheke. Der Beipackzettel erfüllt alle Voraussetzungen, dass die Handhabung einem Laien unverständlich ist: Anzeige COVID negativ. Stimmt dies, vor einigen Tagen hatte ich einen Schnupfen? Ist meine Corona Infektion vorbei oder besteht ein großes Ansteckungsrisiko? Der Infozettel von der Teststation empfiehlt verschiedene Maßnahmen im Haushalt, wenn eine Person positiv getestet wurde. R. reagiert auf meine Hinweise unwirsch. Wir beschließen die nächsten Tage in getrennten Zimmern zu schlafen und beim Essen Abstand zu halten. Machen diese Vorsichtsmaßnahmen noch Sinn oder ist es dafür schon zu spät? Das Coronavirus ist in der Wohnung. Vor zwei Tagen wollte ich auf der Verwandtschaft Apps nachfragen, wie es dieses Jahr um den Osterbrauch Fleischweihe und Osterjause steht? Vertiefe mich in das Buch über das Leben von Darwin von Jürgen Neffe und schreibe verbindlich meine täglichen Blogbeiträge.
Dienstag, 9. 2. 2021, MM Nudeln mit Ragout + Gemischter Salat
Wir haben immer Mundnasenschutz getragen, waren vorsichtig im Umgang außerhalb der Wohnung und hatten keine Besuche. Warum trifft die Infektion uns? Wer und wo könnten wir uns angesteckt haben und haben wir andere angesteckt, was passiert als nächstes? Werde ich zum PCR-Test aufgefordert und werden wir nach den letzten Kontaktpersonen abgefragt? Wer wird es in der Wohnanlage erfahren? Viele Fragen. R. telefoniert mit ihren Töchtern, ich mit der Nichte B. Für die Zeit der Absonderung denken wir an „Essen auf Rädern“ und kontaktieren die Corona Hilfe. Per E-Mail bekommen wir den Antrag für „Essen auf Rädern“ zugesandt. Es sind sechs Seiten auszufüllen. Unteranderem Fragen zum Gesundheitszustand, Wohnverhältnisse, Vollkost oder Diabetikerkost, zu beantworten. Wir verzichten auf „Essen auf Räder“, R. hofft weiter selbst kochen zu können. Auf der Couch im Gästezimmer bereite ich mir eine Schlafstätte vor.
Mittwoch, 10. 2. 2021, Eintrag 20.15 Uhr, Körpertemperatur (=KT): 36,4 °C, MM Selchwurst + Sauerkraut
Telefonisch wurde R. informiert, dass der PRC Test COVID positiv war und eine Quarantäne vom 8.2.2021 bis zum 18.2.2021 verhängt. Für mich wird ein Absonderungsbescheid, als Kontaktperson K1, von der Gesundheitsbehörde Villach per E-Mail zugestellt. Meine Quarantäne gilt ebenso vom Montag den 8. 2. 2021 und endet am 18. 2. 2021. Die verbotenen und befohlenen Handlungen werden in einem sechsseitigen Bescheid ausführlich aufgelistet. Unter anderem: Wohnung nicht verlassen; keine Kontakte zu anderen Personen; zweimal täglich Fiebermessen; Krankheitssymptome der Behörde melden. Laut Magistrat wäre es mir als K1 erlaubt mit MNS die Mülltonne oder den Postkasten aufzusuchen. Dazu die Auflage im Stiegenhaus Abstand zu anderen Hausbewohnern zu halten. Ob unsere Quarantäne je überprüft wird? Für R. ist noch kein schriftlicher Bescheid zum Testergebnis und der Absonderung eingetroffen.
Zurzeit leidet R. an Hustenanfällen, Müdigkeit und Appetitlosigkeit, wir hoffen, dass die Medikamente Wirkung zeigen. Der Alltag lässt sie nicht locker und stellt erschreckt fest, dass sie die Steuer einzahlen müsste, aber derzeitig unmöglich. Als Kontaktperson der ersten Kategorie erhalte ich heute per SMS die Aufforderung unverzüglich in die Kowatsch Halle zu einem PCR Test zu kommen. Ich darf zwischen Nasen- und Rachenabstrich wählen, ich entscheide mich für den Rachenabstrich. Kurz und schmerzlos. Unterwegs werfe ich einen Brief an die Bank, mit dem Zahlschein für die Steuer, in einen Briefkasten. Problem gelöst. Sollen wir andere Hausbewohner von unserer Isolation informieren, wir wollen mein Test Ergebnis abwarten. Plötzlich bekommen die Nachrichten zur Corona Pandemie im Fernsehen und im Radio für uns ein anderes Gewicht.
Donnerstag, 11. 2. 202, 11.00 Uhr, KT 35,7°C, MM Zanderfilet + Kartoffelsalat
Im Gästezimmer habe ich prima geschlafen. Bei meiner Befindlichkeit, gut oder schlecht, entscheidet sich vieles im Kopf. Mit dem derzeitigen Zustand sind wir zufrieden und hoffen, dass keine gesundheitliche Verschlechterung eintritt. Vom Bezirk Hermagor wird berichtet, dort wohnen Bekannte, dass es dort sehr viele Infizierte mit dem englischen Coronavirus gibt. In der Verwandtschaft gibt es für die über 80jährigen noch keine Impftermine. Diese wären nach der Ankündigung der Bundesregierung im Jänner längst überfällig, so viel zu den Versprechungen. Aufschlussreich ist der Widerstand vom Pflegepersonal und den Ärzten in einigen Landesspitäler gegen eine Impfung mit dem Astra Zeneca Vakzine.
Für heute erwarte ich den Bescheid von meinem PCR Test. Um 14.30 Uhr werde ich telefonisch verständig, dass ich COVID positiv bin. Um 15.30 Uhr gibt es die erste Kontrolle vom Gesundheitsamt, ob ich die Quarantäne einhalte. Stufenweise freunde ich mich mit der Infektion und der Quarantäne an. Die Quarantäne empfinde ich im derzeitigen Lockdown nicht als Einschränkung, da in der Draustadt kaum kulturelle Veranstaltungen stattfinden. Der Leseraum der Bücherei und die Cafés mit Tageszeitungen sind Corona bedingt geschlossen.
Für die nächste Zeit habe ich genug Tagehefte zur Auswertung und Bücher zum Lesen in der Wohnung. Folgt jetzt viel Zeit für das Schreiben und zum Lesen? Beginne im Buch „Götter, Gräber und Gelehrte“ zu lesen, erstmals habe ich es vor etwa sechzig Jahren im Internat in Tanzenberg gelesen. Die Wohnungsnachbarin B. erklärt sich sofort bereit während unserer Absonderung die Lebensmitteleinkäufe und die Postzustellung zu übernehmen.
Freitag, 12. 2. 2021, Eintrag 9.43 Uhr, KT 35,11°C, Außentemperatur (=AT) -4.3°C, um 18.45Uhr KT 36,4°C, MM Gröstl m. Leberkäse + Gemischter Salat
Die Vorstellung mehr Zeit zum Lesen und Texte verfassen zu haben, genieße ich. Auch die Ruhe in der Wohnung und die Anwesenheit der Katze Sissi im Schreibzimmer. Jetzt kann ich den Termin für den freiwilligen COVID Test und den Termin bei der Hautärztin absagen. Ich hoffe den Termin Anfang März nachzuholen. Morgens liegt immer die „Kleine Zeitung“ und erstmals Post vor unserer Wohnungstür. Mit dem Bruder H. telefoniert, er meint die Gesundheitsbehörden seien mit der Pandemie überfordert, bis jetzt hatten sie ein ruhiges Büroleben. Der Verwandtschaft in Politzen haben wir bis jetzt unsere COVID Erkrankung verschwiegen. Blogeinträge bis Anfang April vorbereitet, für den Fall eines schlimmeren Krankheitsverlaufes. Unter den Nebenwirkungen der Corona-Medikamente leidet R., es zuckt in den Füßen.
Samstag, 13. 2. 2021, Faschingssamstag, Eintrag 9.00 Uhr, KT 34,3°C, AT -6.7°C, MM Gemüsesuppe + Reisauflauf m. Rosinen
Ein sehr sonniger und kalter Morgen. Unser neuer Faschingsgruß: „Lei, Lei, Corona“. Dieses Jahr gibt es in Villach kein Faschingstreiben und keinen Faschingsumzug. Vor einem Jahr gab es einen tollen Umzug mit vielen italienischen Faschingsgruppen und Zuschauern. Am Faschingsmontag haben wir das Rosenmontagskonzert im Kongresscenter besucht, es war ausverkauft. Das Coronavirus war damals in Oberitalien schon stark verbreitet, der Karneval in Venedig wurde gestoppt. Am Vormittag erledigen wir unseren wöchentlichen Wohnungsputz. Saugen und Aufwischen stellt für mich keine körperliche Belastung dar. Der Wohnungsputz ist in der Isolation zugleich Gymnastikersatz. Mein gesundheitlicher Zustand bleibt stabil. Bei mir dürfte der grippale Infekt eine COVID Infektion gewesen sein. Bis morgen nimmt R. die Corona Medikamente ein, hoffentlich gibt es nach dem Absetzen kein Aufflammen der Symptome. Das schöne Wetter zieht bestimmt viele Menschen zum Schifahren, Langlaufen und Spaziergehen in das Freie. Gäbe es keine Quarantäne hätte ich nach dem Mittagessen den Zwang verspürt, spazieren gehen zu müssen. Heute entfällt dieser Pflichttermin.
Sonntag, 14. 2. 2021, Faschingssonntag, Eintrag 8.00 Uhr, KT 34,74°C, AT -9,2°C, MM Hühnerfleisch m. Reis + Salat
Von meinen Pralinen und der Valentinskarte am Frühstückstisch war R. sehr angetan. Freude bereitete ihr auch der Rosenstock, welchen B. vor die Tür gestellt hat. Auf der Verwandtschaft WhatsApp gibt es außer einigen gestohlenen Sujets zum Valentinstag keine lebensechten Nachrichten. Am schnellsten vergehen die Stunden im Gewahrsam mit Hausarbeit, Küche- und Wohnung aufräumen, dem Lesen und Notizen machen. Die Tagehefte vom Corona Jahr 2020 werden von mir nach weiteren Erlebnissen für Blogbeiträge abgeklopft, immer in Verbindung mit selbst Erlebtem. Heute an der Frage, „Wie geht es weiter“, hängengeblieben. Diese Frage richte ich an den weiteren Verlauf der Erkrankung, der Pandemie, an die Maßnahmen der Bundesregierung und rückblickend an verschiedene Entscheidungen in meinem Leben.
Darf ich zu Mittag bei frostigen Temperaturen für fünfzehn Minuten auf der Loggia in der Sonne sitzen? R. warnt mich vor einer möglichen Erkältung. Für mich sind fünfzehn Minuten Sonne genauso wichtig wie eine Tablette. Die Viertelstunde gehört zu den Schönsten an diesem Tag. Große Unzufriedenheit herrscht bei R. darüber, dass die Friseursalons jetzt offen sind und sie befindet sich in Quarantäne. Der Friseurbesuch fehlt ihr ungemein.
Bei den Telefongesprächen wollen die Anrufer wissen, wie es uns in der Quarantäne geht, ob wir die Freiheit vermissen? Meinerseits vermisse ich noch nichts, es gibt viel zu erledigen, dabei ist das Eingesperrtsein eine Unterstützung. Für den Faschingsdienstag haben wir eine Pizza und für den Aschermittwoch einen Heringssalat vorbestellt.
Montag, 15. 2. 2021, Rosenmontag, Sonnenaufgang um 7.22 Uhr, Eintrag 10.00 Uhr, KT 35,64°C, AT -4,9°C, MM Bauernselchwurst m. Krautfleckerln
Seit heute Nacht schlafe ich wieder im gemeinsamen Schlafzimmer, beide sind wir COVID positiv und in Quarantäne. Die Wochenendausgabe von Der Standard gebe ich zurzeit nicht an einen Nachbarn weiter um zu verhindern, dass die Zeitung zu einem Coronavirus Überträger wird. Unsere Hauskatze Sissi folgt mir auf Schritt und Tritt, während der letzten Tage ist sie anhänglicher geworden. Oft sitzt sie sich auf dem Board vom Schreibtisch.
Um die Quarantänezeit zu nützen beginne ich die Wandfliesen in der Dusche und im Badezimmer zu reinigen. Eine unliebsame Arbeit, welche von mir immer aufgeschoben wurde, jetzt nehme ich sie in Angriff. Lieber jetzt als Pausenfüller in der Absonderung, als später bei schönem, warmem Wetter. Wohnungsnachbarin B. hat uns zwei Faschingskrapfen mit Corona Spritzen vor die Tür gestellt. Aus Arnoldstein berichtet A., dass ihre Schwester auch mit COVID infiziert war. Während der Quarantäne wurde sie fast täglich von der Polizei kontrolliert. Nach dem Motto, die kleinen Fische werden kontrolliert, die Großen fliegen in den Süden. Morgen fährt sie mit ihrem Mann nach Deutschland um ihren ersten Enkel zu besuchen, sie freut sich riesig.
Dienstag, 16. 2. 2021, Faschingsdienstag, Eintrag 10.05 Uhr, KT 34.81°, AT+0.1°C, MM Pizza + Pannacotta
Wie weit sind Corona Gags erlaubt oder soll mir der Witz im Hals stecken bleiben? Die Fernsehsendung „Narrisch guat“ empfand ich etwas unwirklich, da die Akteure auch die Zuschauer waren. Die Sketches waren sehr holprig. Die live Aufführungen fehlten, so konnten die Gags nicht abgeschliffen werden. Wieder ein sonniger Tag, Fortsetzung der Fliesenreinigung in der Dusche und im Badezimmer. Die gestrige Reinigungsarbeit verursachte keinerlei Rückenbeschwerden, sondern schenkte mir mehr Beweglichkeit. Ein guter Ersatz für Rückengymnastik, Schwimmen und Bewegung im Freien.
Mittwoch, 17.2.2021, Aschermittwoch, um 8.00Uhr KT 35,78 °C, AT +0.7°C, um15.00 Uhr KT 36,15°C, AT +9,2°C, MM Heringssalat + Kärntner Nudel
O Schreck Aschermittwoch, heute triefen die Tageszeitung und die Radioprogramme vor Beiträgen zur Besinnlichkeit und zum Innehalten. Ja natürlich, vor Fastenrezepten. Zu Beginn der Quarantäne war es das Coronavirus welches R. zur Nahrungsverweigerin gemacht hat. Sie wollte partout nichts essen, es hat sie nach eigenen Aussagen vor den Speisen geekelt. Die einzige Motivation etwas zu sich zu nehmen war die Voraussetzung für die Medikamenteneinnahme. Meine vordringlichste Aufgabe war, sie zum Essen zu animieren.
Nach der Diagnose COVID positiv hat mich mein Gefühl, bei mir könnte die Akutphase schon vorbei sein, vor einem Schock bewahrt. Die Befindlichkeit von R. ist gut, mit kleinen Schwankungen. Wir wissen nicht, haben wir nach der überstandenen Corona Virusinfektion einen Vorteil oder Nachteil? Wenn einen Vorteil, welchen und wie für lange? Nach Angabe der Gesundheitsbehörde sind wir für die nächsten sechs Monate immun gegen das SARS-CoV-2 Virus. Auf der Kärntner Impfplattform werden Personen die bereits COVID positiv waren für die Impfung zurückgereiht. Bis dann könnte der Impfstoff Johnson und Jonson zugelassen sein, von dem es nur eine Impfdosis zur Immunisierung braucht. Bis heute haben wir meine Verwandtschaft nicht über unsere COVID Erkrankung informiert, warum?
In der Wohnanlage wird der Fasching über den Faschingsdienstag hinaus verlängert, da ich für die Entfernung der Faschingsdekoration zuständig bin. Zurzeit allerdings in Quarantäne. Bundeskanzler Kurz war ein Hauptziel der Akteure vom Villacher Fasching im Fernsehen. Auch die Coronapandemie war ein Thema bei den Parodien auf die Minister Nehammer und Anschober. Einem Zeitungsbericht zufolge war Minister Anschober von Beruf Grundschullehrer. Seine Auftritte bei den Pressekonferenzen und wie er auf Handzetteln die Infektionszahlen darstellt wirken für mich lehrerhaft. Eigenartig, dass wir die Meldungen über die Corona Pandemie in Österreich weiterverfolgen.
Ein Ziel in der Isolation ist, die Wohnungskatze Sissi zutraulicher zu machen. Ich nehme sie tagsüber einige Male Hiphop in die Arme. Vielleicht wird sie dadurch anschmiegsamer. Die Reinigung der Bad- und WC- Fliesen habe ich beendet, darauf bin ich ein wenig stolz. Alles glänzt.
Nachbarin B. hat für uns Lebensmittel eingekauft und von der Fleischerei Fries einen Heringssalat und Kärntner Nudel besorgt. „Mah guat“, das Essen war schmackhaft. Sie ist für uns die gute Seele und ihr gilt unser großes Dankeschön für die Unterstützung in der Quarantäne.
Donnerstag, 18.2.2021, Eintrag 11.30, KT 35,52°C, AT +9,4°C; um 19.32 Uhr, KT 36,26°C, AT + 1,9° C
Von der Loggia aus habe ich Frau G. angesprochen und als ich ihr mitgeteilt habe wir sind COVID positiv, ist sie im Garten einen Schritt zurückgetreten. Jemanden zur Begrüßung die Hand zu reichen ist seit der Pandemie verboten und haben wir es für immer verlernt? Früher gehörte dies zum guten Benehmen. Als Kind wurde ich dazu erzogen dem Nachbar, der Tante, dem Briefträger, dem Herrn Lehrer und dem Herrn Pfarrer zur Begrüßung die Hand zu reichen. Diese Geste ist in mir tief verwurzelt, jetzt ist sie untersagt. Beim Telefonieren verspüre ich, hört der Angerufene das Wort Corona-positiv, wie er den Abstand zwischen Handy und Ohr etwas vergrößert. Dies erlebte ich bei E. aus Hermagor. Er war überrascht, dass wir COVID positiv sind, ansonsten kennt er in seinem Bekanntenkreis niemanden. Am Telefon mit ihm darüber diskutiert, ob dies für die Menschen zumutbar ist, wenn immer wieder gesagt wird: „Die nächsten vierzehn Tage sind entscheidend oder das Licht am Ende des Tunnels angekündigt wird“? Wie oft wurde dies schon gesagt und der wievielte Lockdown ist es momentan? Werden wir uns zu Ostern frei bewegen können oder kommt es wieder zu Einschränkungen wie vor einem Jahr? So entzweit Corona die Menschen.
Nach etwa zwei Monaten hat mir heute R. die Haare geschnitten, jetzt schaue ich wieder manierlich aus. Morgen kann sie aus der Quarantäne raus und will in der Umgebung spazieren gehen. Wir haben den Laborbefund vom PCR Test angefordert, mit dem können wir beim Hausarzt eine Bestätigung von unserer Erkrankung holen. Laut AGES sind wir jetzt sechs Monate nicht ansteckend. Es ist ein Persilschein in der Coronapandemie, eine Eintrittskarte in alle Antigentestpflichtigen Bereiche. Am 11.2.2021 lag mein ct-Wert bei 31,3. Das Beruhigende am Laborbefund, beim Wort Tod gab es ein negatives Vorzeichen.
Freitag, 19.2.2021, um 9.56 Uhr, KT 35,5°C, AT + 6,2°C, MM Gemüsesuppe + Palatschinken
Gestern abends im Servus TV eine Diskussion zum Thema „Coronakrise und Psyche“ angeschaut. Die Diskutanten verwiesen darauf, dass bei den Menschen Unsicherheit und Angst in der Krise weit weitverbreite Gefühle sind. Es kommt auf die Stärke der jeweiligen Betroffenheit an. Einer der Aspekte, kann man die Krise finanziell überstehen? Bei Menschen nach der Genesung von COVID, gibt es Langzeitfolgen? Eine Frage welche mich beschäftigt und wie schafft es R. wieder zu einem aktiven Alltag? Für Unsicherheit sorgte bei uns die Meldung, dass in Vorarlberg ein COVID Erkrankter seine Hauskatze mit dem Coronavirus angesteckt hat. Die Symptome bei der Katze sind ähnlich wie beim Menschen: Fieber, Husten, Atembeschwerden und keinen Appetit. Die Übertragung kann durch einen engen Kontakt mit der Hauskatze, wie Schmusen, erfolgen. Dies kommt bei Sissi nicht in Frage, sie ist keine Schmusekatze.
Am frühen Morgen telefonierte ich mit dem Bruder H. und gratulierte ihm zum Geburtstag. Bei der kommenden Gemeinderatswahl wünschte ich ihm viele Stimmen. Er soll bei den Hausbesuchen vorsichtig sein. Er konnte es nicht glauben, dass wir mit Corona infiziert sind, er dachte ich mache einen üblen Scherz. Ihm kurz den Verlauf unserer Erkrankung geschildert. Ein Glück, dass die Coronaviren nicht über das Telefon übertragbar sind. Die Schwägerin berichtete von einigen Corona Fällen in der Verwandtschaft und in ihrer Nachbarschaft. Lockdowns und Geschäftsschließungen lehnt sie ab. Ihr Enkel muss trotz Schnelltest während des Unterrichts einen MNS tragen, bei der Enkelin funktioniert das distance learning nur teilweise.
Samstag, 20. 2. 2021, um 8.08 Uhr, KT 35,43°C, AT +0.2°C, MM Kartoffelgulasch + Grüner Salat
Um 12.15 Uhr döse ich auf der Loggia bei angenehmen Temperaturen in der Sonne. Hier spüre ich den Frühling. In kleinen Schritten komme ich beim Lesen von „Götter, Gräber und Gelehrte“ voran. Der Vormittag gehörte der Wohnungsreinigung. Der Saugroboter ist dabei eine tolle Unterstützung. Danach den Parkettboden nebelfeucht aufwischen. Nach der Genesung hüte ich mich vor einer körperlichen Überforderung, keine Dummheiten machen. Zeitweise verspüre ich etwas von der COVID Müdigkeit. Jetzt bin ich vorsichtig optimistisch, dass das Corona-Virus in mir gezähmt wurde. Von ihren Freundinnen hat R. einige Telefonanrufe erhalten, sie freut sich über jeden Anruf. Immer wieder muss sie den Anruferinnen erzählen wie die Erkrankung verlaufen ist und wie es ihr momentan gesundheitlich geht. Nach mehreren Telefonaten wird die Sache zum großen COVID Epos. Eine Frage kann sie nicht beantworten, wo wir uns mit dem Virus angesteckt haben? Ungeklärt ist auch, wer von uns zuerst angesteckt wurde oder beide gleichzeitig. Wir haben uns an die Verordnungen gehalten, waren immer vorsichtig und trotzdem ist es passiert. Die Infektion mit dem Coronavirus hat wahrscheinlich in den ersten Februartagen stattgefunden. Bei den Außenkontakten wie Supermarkt, Apotheke, Bank oder Möbelhaus.
Sonntag, 21.2.2021, Messung 11.07 Uhr, KT 34.75°C, AT +6,5° C, MM Fisch mit Kartoffelsalat
Wieder ein frühlingshafter Tag und das Wetter soll auch die kommende Woche freundlich und warm bleiben. Gerade so, wie beim ersten Lockdown vor einem Jahr, wo das schöne Wetter über viele Beschränkungen hinweggetröstet hat. Heute beginnt in den Bezirk Städten von Kärnten eine weitere Corona-Impfaktion für Personen über achtzig Jahren. Vor zwei Jahren hätte sich niemand impfen lassen, zum Beispiel gegen Grippe, wenn er über den Impfstoff nicht genau Bescheid wusste. Eine verkehrte Welt. Die Nichte B., Fachärztin, vertritt die Meinung, dass es in den Wintermonaten kaum grippale Infekte und Influenza gegeben hat, es waren allesamt Corona Infektionen. Das SARS-CoV-2 dürfte dem Biochemielabor in Wuhan entkommen sein, weil es beim Menschen so infektiös ist. Sie sieht es gerade so, als wurde es für eine Infektion beim Menschen herangezüchtet. Bei den dramatischen Corona Erkrankungen, welche sie im Krankenhausalltag erlebt, sieht sie es als eine Gnade wie bei mir die Infektion verlaufen ist. Mit vorläufig keinen weiteren Nachwehen. Gleichwohl auch bei R., da sie durch eine Vorerkrankung besonders gefährdet war. Mit Demut vor dem Leben beende ich um 20.00 Uhr das Corona Quarantänetagebuch. KT 35,69°C, AT +5,9°C
Montag, 22. 2. 2021
Den Tag nach Aufhebung der Absonderung schließe ich dem Quarantänejournal wegen der neuen Befindlichkeit an. Bei meinen ersten Schritten durch das Stiegenhaus und vor das Haus war ich vom Gefühl der Vorsicht geleitet. Ein Probelauf, wie gut funktionieren die Beine nach zehntägiger Untätigkeit. Das Weggehen aus der Wohnung fühlte sich an, als verlasse ich ein geschütztes Universum. Anderseits wollte ich wieder Teil der Außenwelt sein. Zu meiner ersten Aufgabe gehörte die Müllsäcke von der Loggia zu entsorgen. Trotz Quarantäne blieben Vorhaben unerledigt, wie einen Sack Nüsse aufknacken.
Ein Seufzer von Rosemarie in der Küche, Lieber Gott hilf mir, sagt mehr über ihre momentane Befindlichkeit aus als fünf ärztliche Befunde. Ich bin vorsichtig optimistisch was meine weitere Genesung betrifft. Am Vormittag besorgte ich mit dem Rucksack Lebensmittel aus dem nahen Supermarkt. Am späten Nachmittag war ich in der Innenstadt, die Schaufenster sind bereits frühlingshaft und österlich dekoriert. Die geöffneten Geschäfte versprühen den Aufbruch in eine schönere Zeit.
Franz Supersberger wurde 1951 in Politzen, Gemeinde Ferndorf, geboren und war vierzig Jahre lang als selbstständiger Buchhändler in Arnoldstein tätig. Bereits im Jugendalter beginnt er zu schreiben, erste Veröffentlichungen erfolgen in der Kärntner Volkszeitung "Die Brille". Seit 2003 betreibt er den Blog schlagloch.at und zählt damit zu den am längsten aktiven Bloggern Österreichs. Basis dieser Blogeinträge sind alltägliche Beobachtungen, die Herr Supersberger in bereits mehr als 250 Notizheften festgehalten hat. Er ist Mitglied des Kärntner Schriftstellerverbandes, der Interessengemeinschaft Österreichischer Autoren und der Literaturplattform Buch13.